Hosen runter! Toilettenbesuch? Verboten!

Das die Behandlung von Fussballfans in Deutschland alles andere als nett, sondern vielmehr von Repression geprägt ist, zeigte das kurz vorher besprochene Buch ja bereits auf. Deutschlandweite mehrjährige Stadionverbote werden noch vor einem möglichen Urteil oder auch vor einem Prozess verhängt – es reicht, wenn man in der Nähe eines polizeibekannten Krawallmachers gesehen wird oder aber ganz allgemein zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Ein konkreter, nachvollziehbarer Tatvorwurf ist zur Verhängung eines deutschlandweiten Stadionverbotes nicht notwendig. Einspruchsmittel existieren defakto ebenfalls nicht.Man erfährt zumeist nicht einmal, ob man bereits in der Datei Gewalttäter Sport steht – sofern man nicht eines Sommers in den Urlaub fliegen möchte und dann als reisender Gewalttäter aufgehalten wird – weil man womöglich irgendwann mal mit Vereinsschal in der Nähe einer Demonstration etc. gesehen wurde.

Im folgenden fünf der mitlerweile durchaus als üblich zu betrachtenden Vorgehensweisen gegenüber rechtlosen „Gäste“fans beim besuchen eines Fussballspieles in Deutschland:
VfB Stuttgart – Hertha BSC
Mein bisher krassestes Erlebnis hatte ich beim Auswärtsspiel in Stuttgart mit Hertha, wo wir uns, bevor wir in den Gäste-Fanblock durften, bis auf die Unterhosen ausziehen mussten, wegen etwaiger Waffen, Rauchbomben etc. Das war gar nicht so einfach im stockvollen Zustand, da die Contenance zu behalten, aber wir haben uns gefügt! Ich weiß nicht, ob?s die Schwaben aufgeilt, dass wir das machen müssen, aber sie fordern es fast jedes Jahr! So singen wir inzwischen nur noch: »Alle Jahre wieder …«
Aber für meine Hertha tu ich ja alles!
Seku, Hertha Fan-Club Blau-Weiß Baiersdorf


Pinkelpausen verboten
Borussia Fulda – KSV Hessen Kassel (31.8.1997)
Es war ein Auswärtsspiel. Auf der Zugfahrt dort hin wurde natürlich auch etwas getrunken. Mit der Folge, dass wir vor dem Stadion in Fulda alle einen ordentlichen Druck auf der Blase hatten. Vor der Toilette eines Biergartens in der Nähe des Stadions bauten sich zwei grimmig blickende Herren in Uniform auf, die zusammen mit ihrem noch grimmiger drein blickenden vierbeinigen Kollegen niemanden rein ließen. Ins Stadion durften wir (eine Stunde vor Spielbeginn) auch noch nicht, aber wir wurden damit vertröstet, im Stadion auf die Toilette gehen zu dürfen. Aha! Also pissten die meisten von uns ordnungswidrig die schöne Johannisau voll und ich hielt es auf. Dann durften wir endlich rein, doch um auf die Toilette gehen zu können, hätten wir durch den Fuldaer Block gemusst. Dazwischen waren natürlich jede Menge Polizisten postiert, die keinen durch ließen. Was nun? Ich verklickerte also einem der Polizisten, dass man draußen gesagt habe, wir dürften im Stadion auf die Toilette und da wolle ich jetzt hin. »Du Kasseler! Du darfst hier nicht durch!« ? »Dann pisse ich Euch mitten ins Stadion!« Nach langer Rücksprache mit seinen Vorgesetzten und dem Herren Innenminister ließ er mich dann doch durch, aber erst, nachdem ich alles, was irgendwie nach KSV aussah, ausgezogen hatte. Ich sagte ihm noch, ich würde dann gleich wieder zu ihm kommen, damit er mich wieder »rein« lässt und erledigte mein Geschäft. Keine drei Minuten später stand ich wieder vor ihm und wollte zurück in den KSV-Block. »Du Fuldaer! Du darfst hier nicht durch!« ? Mensch, eben war ich noch ein Kasseler und jetzt bin ich auf einmal ein Fuldaer …« Daraufhin musste er noch einmal telefonieren und erst dann durfte ich wieder zu meinen Freunden.
Günter, KSV Hessen Kassel


»Willkommen in Stuttgart!«
VfB Stuttgart – VfL Wolfsburg
In den nächsten Zeilen geht es um ein Erlebnis von 43 Fans des VfL Wolfsburg auf ihrer Bustour zum Bundesligaspiel nach Stuttgart. Nach etwa sechs Stunden Fahrt erreichten wir die Autobahnabfahrt in Richtung Gottlieb Daimler Stadion. Ein Motorradpolizist setzte sich vor unseren Bus und geleitete uns, nicht wie erwartet zum Stadion, sondern direkt zum Polizeipräsidium Stuttgart. Dort warteten schon etwa 40 ? 50 Polizisten auf unser Eintreffen. Als der Busfahrer angehalten hatte und die Türen öffnete, stürmten etwa ein Dutzend Polizisten mit gezückten Schlagstöcken in den Bus, beförderten die auf dem Gang stehenden Fans unsanft auf ihre Plätze und sicherten den Gang. Einer der Polizisten hielt eine Ansprache mit dem Zitat: »Willkommen in Stuttgart!!!« Und dann sinngemäß: »Wir werden jetzt eine Personenkontrolle durchführen und diesen Bus auf Waffen und Pyrotechnik untersuchen.« Jeder Fan wurde einzeln aus dem Bus geführt und erst einmal 30 Sekunden mit einer Videokamera gefilmt, der Name musste in die laufende Kamera gesprochen und der Personalausweis abgegeben werden. Anschließend ging es zur »Abtastmauer«: Taschen ausleeren, Jacke ausziehen, Polizist durchsucht Fan, Schuhe und Socken ausziehen, Polizist begutachtet Socken und kontrolliert die Schuhe, alles wieder anziehen. In dieser Zeit durchsuchte ein anderer Polizist die persönlichen Gegenstände und legte teilweise hochwertige Kleidungstücke und Fan-Club-Transparente auf den nass-kalten Betonboden. Weiblichen Fans wurde der BH kontrolliert und in den Ausschnitt geschaut. Zu erwähnen, dass einige Fans, ohne Jacke und ohne Schuhwerk, bei einer Außentemperatur von um die 0 Grad gefroren haben, erübrigt sich. Nach dieser Prozedur ging es in einen »Beton- und Polizeikessel«, der etwa 12 x 12 Meter groß war. Nach und nach füllte sich der Bereich mit dem durchsuchten Teil der Fußballfans. Immer mehr Fans baten darum, zur Notdurft austreten zu dürfen. Da man den zugewiesenen Bereich aber nicht verlassen durfte, geschah dieses an Ort und Stelle. Ein weiblicher Fan bettelte über eine halbe Stunde darum, die 10 Meter entfernte Bustoilette benutzen zu dürfen ? sie durfte nicht! Als einige Fans dann eine Mädchentoilette mit einem Fan-Clubbanner abstecken wollten, kamen zwei weibliche Beamte und führten das Mädchen um die »Ecke«. Was da geschah??? Die Beamtinnen bestanden darauf, sie beim Pinkeln festhalten zu müssen, da Fluchtgefahr bestehe! Unter diesen Umständen war es ihr nicht möglich, ihr Geschäft zu verrichten. Die Fans, die in den hinteren Reihen im Bus saßen und später kontrolliert wurden, mussten während der gesamten Wartezeit ihre Hände auf dem Vordersitz ablegen. Bei jeder Bewegung wurde man mit einer sehr arroganten Art darauf hingewiesen, dass man weder Essen noch Trinken, geschweige denn sich bewegen darf. Nach über einer Stunde war die Durchsuchungsaktion beendet und alle 43 Anhänger des VfL Wolfsburg durften wieder ihren Platz im Bus einnehmen! Von den Beamten wurde auch etwas gefunden: Zwei China-Böller und eine geringe Menge Rauchpulver. Da alle 43 Fans die Reise fortsetzen durften, fragen wir uns immer noch, was diese ganze Aktion sollte und warum man als Fußballfan dermaßen erniedrigend behandelt wird?
»Die 43« aus Wolfsburg


Zum Nikolaustag gab es die Rute
Presseerklärung anlässlich des Bundesligaspiels Eintracht Frankfurt ? Hannover 96 (6.12.2003)
Sehr geehrte Damen und Herren,
rund um das o. g. Bundesligaspiel wurde die Menschenwürde von Fußballfans mit Füßen getreten, wie es aus hannoverscher Sicht bis dato noch nicht erlebt worden ist. Aus diesem Grund erhalten Sie diese Presseerklärung vom 96-Fanmagazin »Notbremse«, das es seit fast sieben Jahren gibt und das zu den auflagenstärksten und bekanntesten Fanmagazinen bundesweit gehört. Zum Nikolaustag gab es die Rute. So muss es jedenfalls den 96-Fans erschienen sein, die ihrer Mannschaft zum Auswärtsspiel nach Frankfurt folgten. Knüppelhart schikanierten Polizei und Bundesgrenzschutz die schwarz-weiß-grüne Anhängerschaft an dem nasskalten Fußballnachmittag. Ein Großaufgebot seitens der Staatsmacht wurde zwar erwartet, weil es in den vergangenen beiden Begegnungen zwischen Eintracht Frankfurt und Hannover 96 zu Ausschreitungen gekommen war, doch die Einsatztaktik vom 6. Dezember stieß allgemein auf Unverständnis. Schon während der Hinfahrt im Sonderzug reagierten die Ordnungshüter ungewöhnlich schroff. Das Öffnen der Fenster wurde verboten, jegliche Diskussionsversuche wurden im Keim erstickt. Dennoch blieb die Stimmung der mitreisenden Fußballfreunde gelassen und ruhig. Bei der Ankunft im Frankfurter Hauptbahnhof zeigte sich das erwartete Bild: Eine Wand aus Polizisten verhinderte jegliches Ausgliedern aus der Gruppe und schleuste die 96er in die Busse. Diese Aktion war gut organisiert und wurde von den Fans ohne Murren akzeptiert. Erstes größeres Kopfschütteln verursachten jedoch die Einlasskontrollen. Das Mitbringen von Trommeln und Fahnen war untersagt. Elemente, die zum beliebten Stimmungsmachen auf den Rängen der Stadien gehören und keinerlei Gewalt schüren, waren am Main nicht erlaubt. Eigentlich hätte sich zu diesem Zeitpunkt bereits die Wut der Besucher aufstauen müssen, sie blieben trotzdem gelassen. Ein vielreisender Fan erlebt die kuriosesten Verbote im Zwei-Wochen-Rhythmus ? ist also einiges gewohnt. Während der mäßigen 90 Minuten deutete nichts auf eine Wiederholung der Vorfälle der Saison 2001/02 hin. Es gab sogar kaum Anti-Parolen zu hören. Die Fanblöcke lieferten sich ein eher langweiliges Gesangsduell. Nach dem Abpfiff holten jedoch die Polizisten den Knüppel aus dem Sack. Vor der mehr als vierstündigen Heimfahrt durften sich die Hannoveraner nicht mit Lebensmitteln versorgen, sondern sollten möglichst ohne Verzögerung in den Zug steigen. Einzelnen Personen gelang es dennoch, Getränke und Essen zu kaufen. »Keine Dosen und Flaschen in den Zug«, hieß es dann seitens der massiv auftretenden Polizei. Auch ein Döner wurde als gefährliches Wurfgeschoss identifiziert. (…) So freute sich die Frankfurter Bahnhofsreinigung über zahlreiche Freigetränke. Oder sollte mit dem Einsammeln der Bierflaschen etwa die anstehende Weihnachtsfeier der Einheit kostengünstig organisiert werden? Es blieb den Fahrgästen keine andere Möglichkeit, als wenigstens einen Teil der Lebensmittel auf dem Bahnsteig zu verzehren. Weitestgehend friedlich protestierten die Fans gegen die unwürdigen Anordnungen. Polizei und BGS dagegen reagierten aber immer aggressiver und schoben die Leute mit Gewalt in die Abteile. Der Begriff »Deeskalation« schien den hessischen Beamten gänzlich unbekannt zu sein. Mit martialischem Auftreten und arroganter Unnahbarkeit wollten sie die Situation bestimmen. Alles und jeder wurde kontrolliert. Selbst in einem Kinderwagen wurden Bierflaschen vermutet. Die junge Mutter hatte dabei nicht ein mal vor, nach Hannover zu reisen, sie wollte in den Regionalexpress nach Limburg, der sich am selben Gleis befand. Immer mehr zeigten sich daraufhin die Niedersachsen entsetzt über das Vorgehen der hessischen Staatsdiener. Erstaunlich, dass sich der hannoversche Mob weiterhin trotz aller Einschränkungen beherrschte. Zu kleinlaut sind die Fußballfreunde inzwischen durch überzogene Strafverfahren geworden. Die Angst vor einem Stadionverbot schwebt immer im Hinterkopf, wenn die Polizei die Stadionbesucher begleitet. Während der Fahrt bereiteten die entnervten Fans ihrem Ärger mit gezielten, aber keineswegs beleidigenden Hohn- und Spottliedern Luft. Vergebens wartete der BGS auf verbale Entgleisungen. Die Not macht vorsichtig und kreativ. Weil es nichts zum Anzeigen gab, wurde der Schlagstock geschwungen. Eine Polonaise, die zu einem Fanzug wie der Fahrschein gehört, wurde mit Hieben und Strafandrohungen abgebrochen. Blaue Flecke sind eine bleibende Erinnerung. Das Aufsuchen der Toiletten durfte als Gnadengeschenk empfunden werden. Mit breitem Kreuz verriegelte der Grenzschutz die Türen. Es wäre interessant, einmal das Filmmaterial sichten zu können, was bei der Heimreise entstand. Kameramänner in Grün zeichneten jegliche Bewegungen der Passagiere auf. die Fanszene zeigt sich über das Vorgehen der Staatsdiener erschüttert und fühlt sich in ihren Persönlichkeitsrechten massiv verletzt. Die Maßnahmen waren weder nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HGSO) noch nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG) zulässig, insbesondere wurden der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die korrekte Ermessensausübung (jeweils §§ 4 und 5) grob verletzt. Zur Verbesserung des traditionell gestörten Verhältnisses zwischen Stadionbesucher und Ordnungshüter hat der Nikolaustag nicht beigetragen. Auch wenn Hannovers Anhängerschaft gewiss nicht nur aus zahmen Engeln besteht und ihr zeitweilig ein schlechter Ruf vorauseilte, hat sie diese Behandlung nicht verdient. Es bleibt rätselhaft, wie ein solches vollkommen unverhältnismäßiges Vorgehen in Einklang zu bringen sein soll mit der WM 2006, die doch unter dem Motto steht: »Die Welt zu Gast bei Freunden«. Sollen z.B. englische oder türkische Fans auf gleiche Art und Weise menschenunwürdig behandelt werden? Weitere Informationen über die Geschehnisse rund um das Bundesligaspiel Eintracht Frankfurt ? Hannover 96 können Sie bei uns erfragen oder der Homepage http://www.dasfanmagazin.de entnehmen.


Redaktion Notbremse Erlebnisse
Die Zitate stammen alle von der Homepage http://www.das-fanmagazin.de, der wohl bedeutensten unabhängigen Seite rund um Hannover 96. Dort hatten Betroffene sich über ihre Erlebnisse an diesem Tag ausgetauscht. »Jemand hat sich einen Döner gekauft, wollte damit in den Zug, daraufhin meinte ein BGSBeamter: úNein, das geht nicht?, und hat den Döner selbst gegessen.«

»Ich habe Diabetes und somit einen Schwerbehindertenausweis! Mit dem war es mir als einzigem erlaubt, den Kessel der Polizei verlassen, und mir in einem menschenleeren Viertel was zu trinken zu kaufen.«

»Vier Stunden im Zug ohne jegliche Getränke oder Nahrung. Rauchen (bin zwar Nichtraucher) war bei uns im Abteil auch untersagt, weil »man das sonst wegen einer Ordnungswidrigkeit zur Anzeige bringen müsste«. Meine Capri-Sonne, die ich in meiner Zaunfahnen-Tüte versteckt hatte, hab ich schnell getrunken, so dass mir wenigstens die keiner mehr abnehmen konnte.«

»Dann war es auf dem Gleis sehr voll und viele konnten dadurch nicht weitergehen. Der BGS fühlte sich deshalb scheinbar angepisst und schlug mit Knüppeln OHNE VORWARNUNG die Leute Richtung Zug. Einige sind dabei hingefallen bzw. zwischen Bahnsteig und einen anderen, dort stehenden Zug gestolpert (ich z. B.) Wenn man nicht weitergehen konnte, weil vor einem alles voll mit Menschen war, wurde man angemacht, man solle weitergehen und es wurde dabei weiterhin mit dem Knüppel um sich gehauen.«

»Die Krönung war, dass man den ganzen Tag pausenlos gefilmt wurde: Beim Einsteigen in den Zug, beim Aussteigen, beim Warten und selbst pausenlos im Abteil!«

»Nachdem dann auch das Fan-Projekt dem Betroffenen zu Hilfe kam, entschärfte sich die ganze Situation ein wenig. Lothar vom Fan-Projekt musste dann seine Personalien abgeben, mit denen er dafür bürgte, dass er auf den Herren aufpasse und er nicht »nochmal« randaliere …!«

»Eine Frau (Anfang bis Mitte 20) war zwar beim Spiel, wollte/musste dann aber zu ihrem Freund nach Stuttgart und dazu natürlich auch auf ein anderes Gleis. Sogar ihr wurde erst einmal der Zutritt, trotz Vorzeigens der für ihre Fahrt benötigten Tickets verwehrt!«

»Zwei aktive und sehr engagierte und besorgte 96-Fans kamen irgendwie an zwei Kästen Eistee heran und verkauften diese becherweise zu fairen Preisen an die 96-Fans …!«

»Am Bahnhof kontrollierten die Wachtmeister alles und jeden. Die Krönung war das Filzen eines Kinderwagens. Die junge Mutter hatte keineswegs vor, in den Sonderzug zu steigen, sondern in den Regionalexpress nach Limburg, der am selben Bahnsteig stand.«

»Man erwartete von uns, dass uns jegliche dienstliche Anweisung, wie das Geschlossenhalten der Fenster, bekannt sei.«

»Ein junges Mädchen, dass zufällig am falschen Ort stand, wird sich heute noch über die blauen Flecken freuen.«